Nidau ehrt einen Zeugen des Holocausts
Bis ins hohe Alter hat sich der Nidauer Unternehmer Léon Reich dafür eingesetzt, dass der Völkermord an den europäischen Juden nicht in Vergessenheit gerät. Jetzt ehrt die Stadt Nidau sein Engagement für Vermittlung und Versöhnung mit einer Gedenkstele.
Der am 13. Dezember 1925 in Polen geborene Léon Reich entstammte einer jüdischen Familie und wurde als 17-Jähriger ins Arbeitslager Blechhammer, einer Aussenstelle des Konzentrationslagers Auschwitz, deportiert. Nur knapp überlebte er die Vernichtungsmaschinerie des Nazi-Regimes: Bei seiner Befreiung aus dem KZ Buchenwald am 11. April 1945 wog er noch 29 Kilogramm. Noch im selben Jahr wurde er als Flüchtling in der Schweiz aufgenommen, wo er die Ausbildung zum Uhrmacher abschloss. Von 1958 bis zu seinem Tod 2014 lebte Léon Reich in Nidau. 1964 gründete er hier die Firma Hormec Technic SA (heute in Ipsach), die Präzisionsgeräte für die Uhrenindustrie herstellt.
Ab Mitte der 1990er Jahre setzte sich Léon Reich dafür ein, dass die Opfer des Völkermords an den europäischen Juden nicht in Vergessenheit geraten. Als einer der letzten Zeitzeugen berichtete er in öffentlichen Vorträgen und vor Schulklassen über die selbst erlebten Schrecken in den Konzentrationslagern. Damit wollte er nachfolgende Generationen dazu bewegen, aus der Vergangenheit zu lernen.
Eine Gedenkstele als «Memorial»
Die Stadt Nidau will dieses Engagement von Léon Reich ehren. Der Gemeinderat hat daher beschlossen, an der Ecke Dr.-Schneider-Strasse/Oberer Kanalweg eine Stele zu errichten, die an ihn erinnern soll. Sie wurde von der Bieler Künstlerin Hannah Külling entworfen und wird aus polnischem Travertin, einem hellen Kalkstein, gefertigt. Die Stele wird im Verlauf des Frühlings 2026 installiert und eingeweiht.
Die Idee eines «Memorials» für Léon Reich geht auf eine Initiative des ehemaligen Gemeinderats Florian Hitz zurück. Er hatte angeregt, einen öffentlichen Ort in Nidau nach Léon Reich zu benennen, «um dessen Einsatz für Vermittlung und Versöhnung» zu würdigen. Aus dem Vorschlag entstand in Absprache mit der Familie Reich das Projekt einer Gedenkstele. Auf Beschluss des Gemeinderats verzichtet die Stadt Nidau 2025 auf die jährliche Ausschreibung des Preises «Ehre für besondere Leistung». Die Ehrung erfolgt stattdessen in Form des Denkmals für Léon Reich, dessen Geburtstag sich in diesen Tagen zum hundertsten Mal jährt.
