Motion: Zustand und Strategie Guggerhaus und Unterer Kanalweg 19
Vorstossart: | Motion |
Vorstoss-Nr.: | M 229 |
Richtlinienmotion: | |
Behandlung im Stadtrat: | 19.06.2025 |
Eingereicht am: | 17.11.2024 |
Eingereicht von: | Peter Luzius (SP) |
Mitunterzeichnende: |
Liechti Hugo, Cura Sacha, Kallen Noemi, Schwab Martin, Lützelschwab Rickenbacher Kathleen, Ruef Catherine, Christoph Meier, Kuby Hannah, Oehme Marlene, Geiser Eliane, Induni Paolo |
Beschluss Gemeinderat: | 27.05.2025 |
Aktenzeichen: | nid 0.1.6.2 / 8.20 |
Ressort: | Hochbau |
Antrag Gemeinderat: | Annahme als Richtlinienmotion |
Antrag
Die Motionäre beauftragen den Gemeinderat, eine Strategie zu entwerfen, wie der stetige Verfall und die Wertverminderung des Guggerhaus und der Liegenschaft am Kanalweg aufgehalten werden kann und wie die Häuser zukünftig genutzt werden sollen.
Der Gemeinderat soll für beide Liegenschaften verschiedene Optionen inkl. Nutzungskonzept vorlegen:
- Option Sanierung: mit grober Kostenschätzung und zukünftiger Nutzung
- Option Verkauf: Welche Verkaufserträge können erwartet werden?
- Option Vergabe im Baurecht: Welche Verkaufsertraäge und Baurechtszinsen können erwartet werden?
Begründung
Das Guggerhaus und auch die Liegenschaft am Unteren Kanalweg 19 (ex Kita) sind seit langer Zeit unbewohnbar. Der Kredit für die Sanierung des Guggerhauses wurde bei einer Volksabstimmung vor 5 Jahren abgelehnt. Seither hat sich nichts mehr getan und keine Massnahme zur Erhaltung der Bausubstanz wurde ergriffen.
Die Stadt Nidau muss mit seinen finanziellen Ressourcen sehr sorgfältig umgehen und sollte die gemeindeeigenen Immobilien nutzen können und deren Liegenschaftswert erhalten. Im aktuellen Fall werden diese Liegenschaften stark an Wert verlieren, wenn nicht bald ein Sanierungs- und Nutzungskonzept vorliegt. Dadurch wird auch das Gemeindevermögen sinken und möglich Mieteinnahmen entfallen. Den Unterzeichnenden ist es bewusst, dass die Gemeinde eine Liegendschaftsstrategie besitzt, aber zu den fraglichen Liegenschaften ist in dieser Strategie keine Antwort zu finden.
Antwort des Gemeinderates
1. Allgemeines
Mit der vorliegenden Motion soll der Gemeinderat beauftragt werden, eine Strategie zu entwerfen, wie der stetige Verfall und die Wertverminderung der Liegenschaften Hauptstrasse 78 und Unterer Kanalweg 19 aufgehalten werden kann und wie die Häuser zukünftig genutzt werden sollen. Der Gemeinderat ist bereit, den Vorstoss als Richtlinienmotion anzunehmen.
Der Gemeinderat hat bei Richtlinienmotionen einen relativ grossen Spielraum hinsichtlich des Grades der Zielerreichung, der einzusetzenden Mittel und der weiteren Modalitäten bei der Erfüllung des Auftrages. Die Entscheid-Verantwortung bleibt beim Gemeinderat.
2. Zur vorliegenden Motion
Der Gemeinderat nimmt das Anliegen der Motionäre zur Kenntnis und anerkennt die fachliche und sachliche Bedeutung der darin aufgeworfenen Fragestellungen, was im nachfolgenden Text im Detail erläutert wird. Ein entsprechender Handlungsbedarf wird erkannt. Unter Berücksichtigung der massgebenden rechtlichen Vorgaben sowie im Einklang mit weiteren raumplanerischen Zielsetzungen wurden bereits geeignete Massnahmen ergriffen bzw. befinden sich solche in Bearbeitung.
Die Liegenschaften an der Hauptstrasse 78 (Guggerhaus) und am Unteren Kanalweg 19 (ehemalige Kita) weisen vergleichbare Herausforderungen hinsichtlich baulichen Zustands, Wirtschaftlichkeit und Entwicklungspotenzial auf.
Laut dem Städtebauliches Leitbild der Stadt Nidau (2013) liegen beide Objekte in Entwicklungsgebieten mit Aufwertungspotenzial: Die Hauptstrasse 78 an der städtebaulich prioritären Achse Biel–Altstadt–Südliche Vorstadt–Beunden, der Untere Kanalweg 19 an der Wasserfront des Nidau-Büren-Kanals, deren Verdichtung und qualitative Entwicklung angestrebt wird. Beide Standorte besitzen Potenzial für die Innenentwicklung und zur Stärkung des urbanen Charakters – vorausgesetzt, sie werden entsprechend genutzt und weiterentwickelt.
Die Immobilienstrategie der Stadt Nidau (2021) weist beiden Liegenschaften die Normstrategie 4 («VK4[1]» bzw. «FK4[2]») zu, was die Erarbeitung eines Entwicklungskonzepts im Einklang mit den übergeordneten Grundkonzepten und Richtlinien verlangt. Dabei sind die zukünftige Nutzung und deren Bedarf zu klären und standortgerecht zu planen.
Die Immobilienstrategie formuliert drei Grundsätze: eine bedarfsgerechte Nutzung im öffentlichen Interesse, einen haushälterischen Ressourceneinsatz sowie eine zukunftsgerichtete und ökologisch abgestimmte Planung. Daraus ergeben sich – insbesondere im Hinblick auf Standort, Schutzstatus und Einordnung als Finanz- oder Verwaltungsvermögen – unterschiedliche Anforderungen an die beiden Objekte.
Die rechtliche Einordnung ist für die Handlungsspielräume zentral: Liegenschaften im Verwaltungsvermögen können nur nach Entwidmung veräussert oder baurechtlich vergeben werden; sie werden zum Anschaffungswert bilanziert (Verkehrswert unerheblich). Liegenschaften im Finanzvermögen hingegen sind grundsätzlich frei veräusserbar, umnutzbar und werden marktwertbasiert bewertet.
Gemäss Erläuterungsbericht zur Ortsplanrevision (2021) liegt die Liegenschaft an der Hauptstrasse 78 in einem ausgewiesenen Innenentwicklungsareal. Eine sorgfältige abgestimmte, standortspezifische Planung ist daher erforderlich. Das TBR weiteres Stadtgebiet (2021)[3] trägt dieser Forderung durch Zuweisung der Hauptstrasse 78 zu einer Zone mit Planungspflicht («ZPP»[4]) einerseits, sowie durch Einbezug des Unteren Kanalwegs 19 in den Perimeter des Uferschutzplans andererseits Rechnung.
Auch wenn die Motion eine parallele Prüfung von Sanierung, Verkauf und Baurechtsvergabe verlangt, ist nach dem Gesagten eine getrennte Betrachtung beider Liegenschaften erforderlich, um Transparenz und Sachlichkeit zu gewährleisten. Der nachfolgende Bericht legt deshalb für beide Objekte jeweils gesondert die Vorgeschichte, den aktuellen Zustand, sowie die geplanten oder bereits umgesetzten Massnahmen dar und erörtert – soweit möglich – denkbare Handlungsoptionen. Im Anschluss erfolgt die Beantwortung der im Rahmen der Motion gestellten Fragen in angemessener Kürze.
3. Hauptstrasse 78
a) Steckbrief
Die Liegenschaft an der Hauptstrasse beim Brückenkopf des Nidau-Büren-Kanals gehört zur städtisch geprägten Bebauung am Südrand der Altstadt («Vorstadt Süd») und liegt in einem Gebiet, das in den kommenden Jahren von weitreichenden städtebaulichen Veränderungen betroffen sein wird (Bahnhofausbau, Neugestaltung der Hauptstrasse und Gleisanlagen).
Das Gebäude an der Hauptstrasse 78 wurde um 1899/1900 erbaut und ist im kantonalen Bauinventar mit dem höchsten Schutzstatus «schützenswert» verzeichnet. Es umfasst im Erdgeschoss Büroräume sowie zwei Wohnungen in den Obergeschossen.
[1] Abkürzung: Liegenschaft im Verwaltungsvermögen (V), Kernbestand (K), Normstrategie (4).
[2] Abkürzung: Liegenschaft im Finanzvermögen (F), Kernbestand (K), Normstrategie (4).
[3] Teilbaureglement weiteres Stadtgebiet und Vorschriften zum Uferschutzplan Nidau-Büren-Kanal, SRS 720.4.
[4] Vgl. Art. 401 TBR weiteres Stadtgebiet und Art. 73 Abs. 2 Baugesetz (BauG, BSG 721.0).
Grundstück Nr. |
258 |
Adresse |
Hauptstrasse 78 |
Zone |
ZPP Vorstadt Süd |
Grundstücksfläche |
979 m² |
Gebäude/Nutzung |
Büro / Wohnhaus |
Baujahr |
1899 |
Denkmalpflege |
Schützenswertes K-Objekt |
Finanz-Verwaltungsvermögen |
Finanzvermögen |
Amtlicher Wert in CHF |
456 100.- (2020) |
Kaufpreis / Erstellungskosten in CHF |
630 000.‑ |
Restwert Substanz in CHF |
774 000.- (2018) |
Eigentum |
Einwohnergemeinde Nidau |
Erwerbsjahre |
2013 |
Immobilienstrategie: |
|
- Normstrategie Hochbauobjekt |
FK4/Entwicklungskonzept erstellen (Priorität 1) |
- Sanierungsbedarf |
Hoch = Gesamtsanierung |
b) Ausgangslage
Die wesentlichen Ereignisse lassen sich folgendermassen zusammenfassen:
- 2013: Die Stadt Nidau erwarb die Liegenschaft für 630 000 Franken aus taktischen Gründen im Sinne einer strategischen Reserve für die Entwicklung des Areals. Thema waren u.a. die damals diskutierte Erweiterung der Bahnlinie der ASm (Aare Seeland mobil), welche aber nicht umgesetzt wurde.
- 2014: Bereits beim Erwerb der Liegenschaft wurde diese mit einer im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeit in Form eines lebenslangen Wohnrechts zugunsten des Voreigentümers Walter Gugger belastet. Dementsprechend können keine grösseren Sanierungsarbeiten vorgenommen werden. Weil ausserdem das weitere Vorgehen bezüglich Bahnlinienerweiterung und Neugestaltung der Hauptstrasse ungeklärt ist, werden nur die nötigsten Unterhaltsarbeiten vorgenommen.
- 2016: Der Voreigentümer Walter Gugger begibt sich ins Altersheim; das Wohnrecht besteht jedoch weiterhin. Dementsprechend ist die Liegenschaft unbewohnt. Das Haus wird minimal unterhalten, Erneuerungen werden keine gemacht.
- Mai 2018: Im Gebäude wird ein Frostschaden festgestellt. Sämtliche Heizkörper und mehrere Heizungsleitungen sind durch Frosteinwirkung geborsten. In vielen Räumen ist Heizungswasser ausgelaufen und hat teilweise die Böden und Wände beschädigt. Auch die Wasserverteilung ist beschädigt. Eine Totalsanierung ist unumgänglich.
- Oktober 2018: Eine Immobilienanalyse ergibt, dass die Substanz infolge des Frostschadens sowie der aufgeschobenen Unterhaltsarbeiten eine Entwertung von 49.8% erfahren hat und nun noch einen Restwert von 774 000 Franken aufweist. Eine Vermietung in diesem Zustand ist ausgeschlossen.
- 20.06.2019: Walter Gugger verstirbt im Altersheim, das Wohnrecht erlischt.
- 10.12.2019: Der Gemeinderat beschliesst einen Planungskredit zur Erstellung eines Sanierungskonzepts
- 26.06.2020: Der Architekten- und Beratungsbericht zeigt, dass aufgrund des Frostschadens sowie aufgestauter Unterhaltsarbeiten ein hoher Sanierungsbedarf besteht. Die Haustechnik ist teilweise defekt, veraltet und nicht mehr betriebssicher; die historischen Fenster sind undicht; zentrale Bauteile erfüllen weder sicherheitstechnische noch energetische Anforderungen. Der Bericht prüft drei Sanierungsoptionen: Eine leichte Sanierung (Dämmung Dach, Estrichboden, Kellerdecke, Pelletheizung; ca. 1.23 Mio. Franken), eine beständige Sanierung (zusätzlich Fenstersanierung; ca. 1.465 Mio. Franken) und eine nachhaltige Sanierung (zusätzlich partielle Fassadendämmung; ca. 1.48 Mio. Franken). Alle Varianten erfüllen die Vorgaben der Denkmalpflege und der kantonalen Energievorschriften. Neben energetischen Massnahmen umfasst die Sanierung auch die Ertüchtigung der Gebäudetechnik (Elektroinstallationen und sanitäre Einrichtungen) und der Oberflächen sowie räumliche Anpassungen für eine zeitgemässe Nutzung. Empfohlen wird eine beständige Sanierung: Durch die Reduktion des Energieverbrauchs werden die Betriebskosten nahezu halbiert, was einen jährlichen Mietzinsertrag von 45 000 Franken ermöglicht. Gleichzeitig senken umfangreiche Förderbeiträge (ca. 211 560 Franken aus Denkmalpflege, kantonalen Energieförderprogrammen sowie Versicherungsleistungen) die Investitionskosten erheblich. Insgesamt erweist sich diese Variante langfristig als wirtschaftlich vorteilhaft, da die höheren Anfangsinvestitionen durch parallele Einsparungen kompensiert werden.
- 17.09.2020: Mit Beschluss vom 17. September 2020 beschliesst der Stadtrat eine Finanzanlage in der Höhe von 1.465 Millionen Franken für eine beständige Sanierung; der Bilanzwert würde dadurch von 594 000 auf 2.059 Mio. Franken ansteigen. Der Stadtratsentscheid unterliegt dem fakultativen Referendum.
- 13.06.2021: Der Kreditantrag wird dem Volk zur Abstimmung vorgelegt, da gegen den Beschluss erfolgreich das Referendum ergriffen wurde. Die Stimmberechtigten lehnten die Vorlage mit 58.7 % ab. Das Referendumskomitee bezeichnet das Vorhaben als «Luxus-Projekt» (hohe Kosten zugunsten weniger Nutzer, nur geringe Rendite). Der Gemeinderat und die Stadtratsmehrheit hingegen betonen, dass die Sanierung lediglich eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Instandstellung darstelle. Ein Verzicht würde zu weiterem Wertverlust und hohen Betriebskosten führen. Zudem sichere das städtische Eigentum den planerischen Handlungsspielraum im Bereich zwischen Bahnhof und Nidau-Büren-Kanal, was angesichts der anstehenden Gebietsentwicklung von strategischem Vorteil sei.
- 17.06.2021: Die Motion M 205 - Verkauf Liegenschaft Hauptstrasse 78 ("Guggerhaus") fordert den Gemeinderat auf, den Verkauf der Liegenschaft einzuleiten. Die Sanierung sei keine Gemeindeaufgabe, das Gebäude habe seinen strategischen Zweck erfüllt. Ziel sei ein Verkauf etwa zum damaligen Kaufpreis, um der Stadt einen haushälterischen Abschluss ohne bleibende Belastung zu ermöglichen.
- 16.06.2022: Mit Beschluss vom 16. Juni 2022 folgt der Stadtrat dem Gemeinderat, der mit der Beantwortung der Motion 205 den Verkauf abgelehnt hat. Ein Verkauf wäre ungünstig, da die Liegenschaft nach wie vor strategische Bedeutung für die Gebietsplanung zwischen Bahnhof und Nidau-Büren-Kanal habe.
- 21. März 2025: Die Motion M233: Ortseingang aufwerten und neuen Wohnraum schaffen! wird eingereicht. Die Motion fordert den umgehenden Start der Planung und Entwicklung der ZPP «Vorstadt Süd», um städtische Liegenschaften mit hohem Erneuerungsbedarf aufzuwerten und an zentraler Lage neuen Wohnraum zu schaffen.
c) Aktueller Zustand
Aufgrund des schlechten Zustandes ist die Liegenschaft Hauptstrasse 78 derzeit unbewohnbar. Der anlässlich der Verkehrswertermittlung von 2018 festgestellt Restwert von 774 000 Franken dürfte sich in der Zwischenzeit weiter vermindert haben (keine Nutzung, fortschreitende Alterung). Eine Vermietung des Gebäudes im aktuellen Zustand ist ausgeschlossen. Aktuell werden jährliche Mietzinseinnahmen von 2 000 Franken für Aussenparkplätze generiert. Der jährliche Gesamtaufwand beläuft sich auf ungefähr 5 000 Franken. Eine aktuelle Verkehrswertschätzung liegt nicht vor. Der künftige Verkaufserlös nach Erfüllung der strategischen Funktion der Liegenschaft lässt sich jedoch ohnehin nicht verlässlich abschätzen, weil zentrale Einflussfaktoren wie künftig zulässige Nutzungsmöglichkeiten, Erschliessung sowie marktbezogene Rahmenbedingungen derzeit unbestimmt sind.
d) Planungsrechtlicher Rahmen und strategische Überlegungen
Wie erwähnt befindet sich die Liegenschaft im Einflussbereich geplanter infrastruktureller und städtebaulicher Veränderungen und hat somit strategische Bedeutung für die Gebietsplanung zwischen Bahnhof und Nidau-Büren-Kanal. Die Stadt besitzt in diesem Perimeter mehrere Parzellen und hat dadurch derzeit erhöhten planerischen Handlungsspielraum. Als Eigentümerin verschiedener Liegenschaften kann sie ihre Interessen optimal einbringen, künftige Entwicklungen beeinflussen und unnötige Verzögerungen verhindern.
Aufgrund ihrer strategischen Bedeutung wird die Liegenschaft gemäss Anhang 1 des TBR weiteres Stadtgebiet im Bereich der ZPP Vorstadt Süd verortet. Planungszweck ist insbesondere die Realisierung einer qualitativ hochwertigen, dichten Überbauung mit gemischter Nutzung; zulässig sind maximal drei Vollgeschosse (in Ausnahmefällen vier).
Als zentralen Gestaltungsgrundsatz wird zum einen die sorgfältige Integration bestehender schützenswerter Bauten in die künftige Überbauung genannt. Zum anderen wird ausdrücklich die Berücksichtigung der städtebaulichen Situation rund um den Bahnhof Nidau gefordert. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass die Planung des Bahnhofsgebiets derzeit noch immer in Arbeit ist und das Dossier «ZPP Nr. 5 Bahnhofsgebiet» erst kürzlich zuhanden der kantonalen Vorprüfung verabschiedet wurde. Es ist davon auszugehen, dass mit der kantonalen Genehmigung mehr Planungssicherheit entstehen wird.
Zu beachten ist ausserdem, dass eine ZPP grundsätzlich dazu verpflichtet, vor Realisierung von Bauprojekten ein qualitätssicherndes Verfahren durchzuführen, dessen Resultate in eine Überbauungsordnung zu überführen sind[1]. Die Projektentwicklung ist daher abhängig von der Dauer des Planungsprozesses.
Im Sinne einer vorausschauenden Bodenpolitik hält der Gemeinderat im Sinne eines strategischen Landerwerbs gemäss Immobilienstrategie daran fest, die Liegenschaft bis zum Abschluss des Planungsprozesses nicht zu veräussern. Danach wäre ein Verkauf oder eine Abgabe im Baurecht möglich – alternativ auch eine Nutzung für öffentliche oder gemeinwohlorientierte Zwecke, was eine Überführung ins Verwaltungsvermögen voraussetzen würde.
e) Kurzfristige Massnahmen und mittelfristige Planung
Aus denkmalpflegerischer Sicht weist die Liegenschaft auf kantonaler Ebene die höchste Schutzstufe auf. Daher ist damit zu rechnen, dass das Gebäude in Zukunft nicht abgerissen werden kann (Art. 10b Abs. 2 kantonales Baugesetz).
Da das Gebäude nicht abgerissen werden darf, aber derzeit unbewohnbar ist, erscheint derzeit einzig eine reduzierte Sanierung zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit zielführend. Diese würde eine einfache Vermietung ermöglichen – z. B. an Wohngemeinschaften, Vereine oder Organisationen. Ziel ist es, Leerstand, Vandalismus und Wertverlust zu vermeiden und gleichzeitig Erträge zu generieren. Bei einem Verzicht auf eine Sanierung würde sich der Zustand der Immobilie weiter verschlechtern und der Wert vermindern.
Aktuell liegt noch keine aktualisierte, grobe Kostenschätzung vor. Bei Annahme der Motion als Richtlinienmotion müssen die Kosten für die Gesamtsanierung aufgrund der veränderten Umstände erneut ermittelt und im Anschluss dem Stadtrat ein erneutes Sanierungsprojekt zum Beschluss vorgelegt werden.
Längerfristig teilt der Gemeinderat die Meinung der Motionäre insofern, dass die Liegenschaft nach Erreichen der strategischen Zielsetzungen zur Stadtentwicklung, unter Vorbehalt einer geeigneten öffentlichen Nutzung, veräussert oder im Baurecht abgegeben werden soll. Die Verkaufserträge bzw. Baurechtszinsen sind abhängig von den dereinstigen Gegebenheiten (Wohnungsmarkt, Leitzins, rechtliche Rahmenbedingungen etc.) und aktuell nicht prognostizierbar.
f) Grundlagen
- Gutachten Verkehrswertschaden, Immobilienanalyse vom 30. Oktober 2018
- GR-Beschluss Planungskredit Sanierungskonzept vom 10. Dezember 2019
- Architekten- und Beratungsbericht GEAK® Plus vom 26. Juni 2020
- GR-Beschluss Sanierung Hauptstrasse 78 vom 18. August 2020
4. Unterer Kanalweg 19 (ehemaliges Kita-Gebäude)
a) Steckbrief
Die Liegenschaft wurde 1978 für 405 000 Franken erworben und bis 2024 als Kita genutzt. Aufgrund baulicher Mängel ist eine Sanierung erforderlich. Die Kita wurde per Juli 2024 geschlossen. Der Gemeinderat hat die Erarbeitung eines Entwicklungskonzepts beschlossen, das Nutzungsoptionen prüfen wird. Eine Entwidmung zur späteren Veräusserung oder Baurechtsvergabe bleibt eine Option.
[1] Vgl. Art. 93 Abs. 1 BauG, allerdings kann gemäss Art. 93 Abs. 1 Bst. a BauG ausnahmsweise vor Erlass der Überbauungsordnung der Bewilligung eines einzelnen Vorhabens zugestimmten werden.
Grundstück Nr. |
439 |
Adresse |
Untere Kanalweg 19 |
Zone |
Uferschutzplan, Mischzone A, Bauzone 2 (2 Vollgeschosse) |
Grundstücksfläche |
740 m² |
Gebäude/Nutzung |
Büro / Werkstatt (Abteilung BKS) |
Baujahr |
1934 |
Denkmalpflege |
Kein Schutzstatus (seit 2022) |
Finanz-Verwaltungsvermögen |
Verwaltungsvermögen |
Amtlicher Wert in CHF |
494 400.- (2020) |
Kaufpreis / Erstellungskosten in CHF |
405 000.‑ |
Eigentum |
Einwohnergemeinde Nidau |
Erwerbsjahre |
1978 |
Immobilienstrategie: |
|
- Normstrategie Hochbauobjekt |
VK4/Entwicklungskonzept erstellen (Priorität 1) |
- Sanierungsbedarf |
mittel = Teilsanierung (2021, heute wohl Totalsanierung) |
b) Ausgangslage
Auch hier erstreckt sich die Vorgeschichte nun bereits über mehrere Jahre, wobei sich die wesentlichen Ereignisse folgendermassen zusammenfassen lassen:
- 1978: Die Stadt Nidau hat die Liegenschaft am unteren Kanalweg 19 für 405 000 Franken gekauft. Die Liegenschaft wurde bisher als Kindertagesstätte (Kita) genutzt und ist daher im Verwaltungsvermögen verzeichnet.
- 2013: Die Liegenschaft weist auf der Nordseite der Fassade Risse auf.
- 2016: Seither werden die Risse deshalb kontinuierlich überwacht. Auf der West- und Nordfassade haben sich die Risse weiter vergrössert, dies in den letzten Jahren um rund 3.5 mm. Es muss davon ausgegangen werden, dass sich der Anbau im Eingangsbereich aufgrund von Veränderungen im Baugrund langsam senkt. Um das Gebäude wieder zu stabilisieren, müssen die Fundamente unterfangen werden.
- 10.12.2019: Der Gemeinderat genehmigt den Projektierungskredit von 8 000 Franken zur Ausarbeitung eines Sanierungsprojekts. Nebst der Unterfangung des Fundamentes sollen die Risse in der Fassade und im Innenraum beseitigt werden, sowie Verputz- und Malerarbeiten vorgenommen werden. Das Sanierungsprojekt ist die Grundlage für einen Investitionskredit, der dem Gemeinderat später zur Genehmigung vorgelegt werden soll.
- Juli 2024: Der Gemeinderat entscheidet, die Kita am unteren Kanalweg 19 aufgrund sinkender Nachfrage zu schliessen. Im Rahmen einer Güterabwägung wurde entschieden, die Kita Aarehüpfer ab Sommer 2024 mit 12 Plätzen in der städtischen Liegenschaft Aalmattenweg 46 zu führen. Die Liegenschaft wird bis auf Weiteres durch die Abteilung Bildung, Sport, Kultur als Büroräumlichkeit genutzt.
- 02.07.2024: Der Gemeinderat beschliesst, für die Liegenschaft Unterer Kanalweg 19 ein Entwicklungskonzept zu erarbeiten. Dieses Konzept soll im Einklang mit der Immobilienstrategie mehrere Varianten aufzeigen, wie die Rentabilität der Liegenschaft sichergestellt werden kann. Das Konzept beinhaltet eine umfassende Analyse der aktuellen Situation sowie eine Planung für die zukünftige Nutzung oder Entwicklung des Grundstücks.
- Derzeit: Das Entwicklungskonzept befindet sich in Erarbeitung und wird demnächst dem Gemeinderat zur Beschlussfassung und Bestimmung des weiteren Vorgehens unterbreitet.
c) Entwicklungskonzept
Im Anschluss an den GR-Beschluss vom 2. Juli 2024 wurde das Entwicklungskonzept in Auftrag gegeben.
Inhaltlich sollen zunächst die aktuellen Rahmenbedingungen der Liegenschaft festgehalten werden, einschliesslich des Zustands des bestehenden Gebäudes, der Lage, der bau- und planungsrechtlichen Grundlagen und der Nutzungsmöglichkeiten, der Infrastruktur, der Denkmalpflege, des Uferschutzes, Brandschutz, Energieeffizienz, Barrierefreiheit, Umweltschutz und ästhetische Gestaltung, denkmalpflegerischen Anforderungen und zur Integration erneuerbarer Energien.
Schliesslich wird eine gründliche Analyse der wirtschaftlichen Machbarkeit des Entwicklungskonzepts durchgeführt. Dabei werden die Kosten für den Bau oder die Sanierung, die erwarteten Einnahmen aus Vermietung, die Finanzierungsmöglichkeiten und die erwartete Rendite des Projekts berücksichtigt.
d) Entwidmung und Entscheidungsprozesse
Das Wohnhaus auf der Parzelle ist sanierungsbedürftig. Zu beachten ist in Zusammenhang mit einer möglichen Sanierung, dass die Liegenschaft anlässlich der Teilrevision des kantonalen Bauinventars im Jahr 2021/22 aus dem Inventar entlassen und der Status «erhaltenswert» aufgehoben wurde. Die Rahmenbedingungen für eine effiziente Sanierung haben sich somit verbessert. Allerdings ist absehbar, dass eine Kosten-Nutzen-Analyse ergibt, dass sich eine Sanierung des bestehenden Wohngebäudes mit seinen strukturellen Problemen und seinem Sanierungs- und Modernisierungsbedarf langfristig als unwirtschaftlich erweist, insbesondere wenn die Instandhaltungskosten im Laufe der Zeit erneut ansteigen.
Jedoch ist aufgrund des aufgehobenen Schutzstatus auch ein Abriss mit anschliessendem Ersatz der bestehenden Villa durch ein Mehrfamilienhaus ohne Weiteres möglich. Gemäss TBR weiteres Stadtgebiet befindet sich die Liegenschaft zwar im Bereich des Uferschutzplan Nidau-Büren-Kanal (Anhang 10), jedoch war es erklärtes Ziel der Ortsplanrevision, unter Berücksichtigung von Landschaftsschutz und öffentlicher Zugänglichkeit die rechtlichen Voraussetzungen für eine qualitativ hochwertige Innenentwicklung zu schaffen. Insbesondere durch den Ausbau der Nutzungsmöglichkeiten soll die Schaffung von neuem Wohnraum an attraktiver Lage am Wasser gefördert werden, weshalb einem Neubauprojekt keine ortsplanerischen Bedenken entgegenstehen.
Die Liegenschaft ist derzeit im Verwaltungsvermögen verzeichnet. Sollte der Gemeinderat aufgrund des Entwicklungskonzepts zum Schluss kommen, die Liegenschaft zu veräussern oder im Baurecht zu vergeben, findet eine Nutzungsänderung statt, weshalb die Liegenschaft vorgängig mittels Entwidmung ins Finanzvermögen überführt werden müsste.
Für die Bestimmung der Zuständigkeit wird die Entwidmung von Verwaltungsvermögen in das Finanzvermögen einer Ausgabe gleichgestellt[1]. Massgebend für die Bestimmung der Zuständigkeit ist der Verkehrswert. Vorliegend ist der Verkehrswert in jedem Fall höher (> 100 000 Franken) als die finanzrechtliche Kompetenz des Gemeinderates. Für die Überführung ist somit der Stadtrat zuständig, allenfalls sogar unter Vorbehalt des fakultativen Referendums, falls der Wert 1 Million Franken übersteigt[2]. Eine entsprechende Vorlage würde dem Stadtrat zu gegebener Zeit zum Beschluss unterbreitet.
Eine eigene Realisierung eines Neubaus ohne Verkauf kann mittel- bis langfristig eine rentablere Strategie darstellen, ist jedoch mit erheblichem Aufwand und Kostenrisiko verbunden.
Der Verkauf der Liegenschaft führt zu einem einmaligen Erlös. Als alternative Möglichkeit kann die Vergabe im Rahmen des Baurechts in Erwägung gezogen werden, welche nach ähnlichen Prinzipien wie ein Verkauf erfolgt: Die Stadt verliert für einen längeren Zeitraum die Möglichkeit der Einflussnahme auf das Grundstück und erhält stattdessen jährliche Einnahmen anstelle eines einmaligen Erlöses. Es ist daher ohne Weiteres denkbar, dass die Option Vergabe im Baurecht die nachhaltigste und rentabelste Lösung darstellt.
Diesfalls müsste die Liegenschaft vorgängig ebenfalls mittels Entwidmung ins Finanzvermögen überführt werden. Ob und in welcher Form die Liegenschaft am unteren Kanalweg 19 zukünftig genutzt werden kann, wird das Entwicklungskonzept aufschlussreich darlegen.
e) Grundlagen
- GR-Beschluss Liegenschaften im Verwaltungsvermögen: Projektierungskredit Risssanierung, Unterer Kanalweg 19 vom 10. Dezember 2019
- GR-Beschluss Kita Unterer Kanalweg 19 - weiteres Vorgehen vom 28. März 2023
- GR-Beschluss Unterer Kanalweg 19 – Künftige Nutzung vom 2. Juli 2024
5. Fazit
Der Gemeinderat kann die gestellten Fragen wie folgt beantworten:
a) Hauptstrasse 78
- Option Sanierung: Der Gemeinderat wird zu entscheiden haben, ob unter den veränderten Umständen ein neues Sanierungskonzept in Auftrag zu geben ist.
- Option Verkauf: Ein Verkauf ist derzeit aus strategischen Gründen nicht opportun, im Übrigen wird auf die Beantwortung der Motion M 205 verwiesen. Dereinstige Verkaufserträge können nicht zuverlässig prognostiziert werden.
- Option Vergabe im Baurecht: Die Vergabe ist derzeit aus strategischen Gründen nicht opportun. Dereinstige Erträge können nicht zuverlässig prognostiziert werden.
b) Unterer Kanalweg 19
- Option Sanierung: Die Beantwortung erfolgt im Rahmen des sich derzeit in Ausarbeitung befindlichen Entwicklungskonzepts. Es ist eher nicht zu erwarten, dass eine Sanierung rentabel ist.
- Option Verkauf: Das in Auftrag gegebene Entwicklungskonzept wird sich vertieft mit dieser Frage befassen.
- Option Vergabe im Baurecht: Das in Auftrag gegebene Entwicklungskonzept wird sich vertieft mit dieser Frage befassen.
Sobald das Entwicklungskonzept zur Liegenschaft am Unteren Kanalweg 19 vorliegt, wird der Gemeinderat das weitere Vorgehen beschliessen und ggf. dem Stadtrat diesbezüglich ein Geschäft vorlegen.
Der Gemeinderat wird zu entscheiden haben, ob für die Liegenschaft Hauptstrasse 78 ein neues Sanierungskonzept zu erarbeiten ist, welches den aktuellen Rahmenbedingungen Rechnung trägt. Eine Abstimmung mit der Entwicklung der ZPP Vorstadt Süd ist unerlässlich.
Der Gemeinderat beantragt dem Stadtrat, den Vorstoss als Richtlinienmotion anzunehmen.
Beschlussentwurf
Annahme als Richtlinienmotion
Vorstoss im Original
Typ | Titel | Bearbeitet |
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Motion Zustand und Strategie Guggerhaus und Unterer Kanalweg 19 | 11.12.2024 |